Interview mit der Autorin von NIRGENDLAND Laura Flöter



An dieser Stelle möchte ich euch mit diesem Interview die talentierte und wirklich sehr sympathische Autorin Laura Flöter vorstellen. Vor einer Weile habe ich ihren Roman "NIRGENDLAND" gelesen und war hellauf begeistert. Wer von euch nicht weiß wovon ich rede, kann ja kurz einen Blick auf die Rezension werfen. ;)

Über deine Person


1.  Seit wann schreibst du?
LF: Ich fing mit dem Schreiben an, sobald ich Rechtschreibung und Alphabet einigermaßen beherrschte – also in der Grundschule. Mein erstes Schreibgerät war ein Aufziehfüller, schwarz mit dunkelrotem Muster, das weiß ich noch genau, den meine Eltern mir geschenkt hatten. Ich war so fasziniert – ein Gerät, mit dem ich meine Gedanken ‚sichtbar’ machen konnte, das war für mich als kleines Mädchen ein echtes Wunder und hat mich unglaublich beflügelt! Damals liebte ich die Nils Holgersson-Zeichentrickserie über alles, und so schrieb ich zunächst vor allem ‚Gänsegeschichten’ – Abenteuer von Däumling und Martin, die ich mir selbst ausgedacht hatte, aber auch Geschichten über unsere vielen Haustiere. Ich schrieb auf unliniertes Papier, malte Bilder dazu und tackerte dann alles zusammen – fertig war das ‚Buch’! Die habe ich auch heute noch. Geschichten waren aber schon immer in meinem Kopf; als ganz kleines Kind habe ich mit meinen Freundinnen stundenlang Fantasiespiele gespielt. Und mit dem Schreibenlernen fanden diese Geschichten dann auch irgendwann ihren Weg auf's Papier – mit dem phantastischen Rollenspiel, einem meiner Lieblings-Hobbys, hat sich das im Grunde auch mit dem ‚Groß-Werden’ fortgesetzt.

2. Wie lange hast du für dein erstes Buch gebraucht?
LF: Die 'Veröffentlichung' meines ersten Buches war, wie sicher in vielen andren Fällen auch, ein elend langer und enorm anstrengender Prozess – und es hat nicht einmal geklappt! Vier Jahre lang habe ich versucht, meinen Erstling, den STERNENLICHTSCHATTEN, irgendwo unterzubringen – da war ich vielleicht achtzehn oder neunzehn, jedenfalls so zu Abiturzeiten. Ich schrieb also sämtliche große Verlagshäuser an und schickte ihnen ein nettes Schreiben und ein paar Seiten Probetext. Ein großer Verlag hätte meinen Text dann fast genommen, aber leider scheiterte das Manuskript dann in der letzten Instanz. Ergo: Absage. Das war sehr bitter, ich hatte mich schon unglaublich gefreut. Aber Absagen in letzter Minute, das hab ich inzwischen raus, sind einfach Alltag, wenn man in meinem Bereich tätig sein will und einen bestimmten Bekanntheitsgrad unterschreitet. Nachdem es da also nicht geklappt hatte, begann ich mit der Suche nach Kleinverlagen, die vielleicht interessiert sein könnten – auch das war enorm zeitaufwändig, denn ich hatte ja noch nie einen Verlag von innen gesehen und keine Ahnung, wie man so etwas systematisch angeht. So stieß ich dann per Zufall auf den Zeitspur-Verlag. Und jetzt wird es interessant!

3. Wurde es veröffentlicht?
LF: Nun ja – ich glaube, „Jein“ trifft es in diesem Fall tatsächlich! Ich war also bei Zeitspur angekommen. Zeitspur verlegt zwar keine Phantastik, aber ich schrieb trotzdem hin – und erhielt eine der wenigen Antworten, die überhaupt zurückkamen! Mein Text passe nicht ins eigene Programm, aber der Text gefalle sehr und man kenne da jemanden – Frau Zietsch vom Fabylon-Verlag. Der Text sei ihr schon zugegangen, das sei hoffentlich in meinem Sinne, viel Erfolg und mit freundlichen Grüßen. Zwei Wochen später bekam ich eine nette Email von Uschi – ob wir nicht einmal telefonieren wollten? Ich bin fast aus dem Anzug gehüpft vor Aufregung! Auch sie mochte den Text sehr gern, leider war er aber für ihren Verlag zu groß. Ob ich nicht eine andere Geschichte hätte, die kürzer sei...? Tja – und das wurde dann NIRGENDLAND!
Mein Erstling wurde in diesem Sinne also nicht verlegt. Aber die Welt von NIRGENDLAND ist dieselbe, und die Handlung dieses Romans bettet sich in die des STERNENLICHTSCHATTENS ein – das ist nämlich ein mehrteiliges Magnum Opus der Fantasy, genau so, wie sich das gehört!

4. Wolltest du schon immer mal ein Buch schreiben?
LF: Ich glaube, diese Frage kann ich sehr kurz und präzise beantworten. Ich wollte das schon immer. Das Schreiben von Geschichten und das Buch als der Gegenstand, der sie enthält, haben mich schon immer fasziniert. Es war immer ein großer Traum von mir, so etwas auch einmal selbst zu tun – und jetzt ist es tatsächlich passiert. Unglaublich! Natürlich reicht es nicht nur, etwas unbedingt zu wollen, denn ob man es dann auch verwirklichen kann, hängt schließlich von zahlreichen Faktoren ab, die man nicht direkt beeinflussen kann. Aber ich habe so penetrant Manuskripte an Verlage geschickt, dass es irgendwann geklappt hat – eben bei Fabylon!

Über das Schreiben selbst


5.   Wie schafft man es nicht mitten beim Schreiben aufzugeben?
LF: Das kann man ziemlich gut umreissen. Zunächst einmal ein ganz klares Konzept, eine möglichst feingliedrige Struktur, und dann vor allen Dingen Disziplin und, das muss man ganz klar so sagen, jede Menge Arbeit, Zeit, Blut, Schweiß und Tränen – man muss einiges durchhalten, ist frustriert und genervt, kommt nicht weiter. Aber wenn man es dann tatsächlich durchhält, kann man wirklich stolz auf sich sein – man darf aber nicht erwarten, dass die nicht-schreibende Umwelt unbedingt auch nachvollziehen kann, was man tut und was man geleistet hat ;) Meine Tipps für alle, die schreiben wollen, wären also: Zäh sein. Hart arbeiten. Und ein bisschen Glück haben.

6. Wie bereitest du dich auf ein neues Buch vor?
LF: Ich habe inzwischen auf jeden Fall meine Methode gefunden. Meist beginnt alles mit einem winzigen Splitterchen – das kann eine Figur sein, ein bestimmtes Ereignis oder Bruchstück einer bestimmten Szene. Dann entwerfe ich, wenn sie noch nicht ‚da’ ist, die Hauptfigur und lege die Handlung in groben Zügen fest und notiere dabei alles, was mir sonst noch dazu einfällt – eine Kulisse, eine Skizze der Figurenbiographie oder auch nur einen einzigen Satz. Dann schreibe ich einfach los; nebenher entwickle ich Handlung, Schauplätze, Figuren und Konflikte weiter. Dabei notiere ich mir sehr sorgfältig, was sich aus dem Text ergibt – Informationen über die Hintergrundwelt und die einzelnen Charaktere, die Konflikte in Kurzfassung, die Motivationen der Figuren etc., und bringe es in einen systematischen Zusammenhang; das ist sehr wichtig, um die Logik der fiktiven Welt und der Figuren durchzuhalten, die drin leben. Mit diesem Vorgehen habe ich die besten Erfahrungen gemacht. Allerdings halte ich mich nie sklavisch an meine eigenen Vorgaben.

7. Wie kommst du auf deine Geschichten oder was inspiriert dich?
LF: Mein allerliebstes Hobby sind ja, wie gesagt, phantastische Rollenspiele – ich spiele seit etwas mehr als zehn Jahren mit annähernd der gleichen Clique, und zwar fast jeden Sonntag Abend. Das ist ein fester Termin in der Woche, und der ist mir sehr wichtig; wir wechseln dabei zwischen fantasy und Phantastik und spielen „Das Schwarze Auge“ oder „World of Darkness“/Crossover. Das ist einfach ein riesiger Fundus an Anregungen. Viele der Geschichten und Figuren, die ich dabei finde, arbeite ich für's Schreiben weiter aus. Aber ich gehe auch gern ins Kino, ins Theater und spazieren oder in Museen und Kunstgalerien – eigentlich fällt immer irgendwo ein 'Kreativitätspartikelchen' ab! Anregungen von außerhalb finde ich sehr wichtig für die Entwicklung und Ausgestaltung der eigenen Ideen. Ich finde nur, es gehört sich dann auch dazu zu sagen, wo man sie gefunden hat!

8. Steht die Geschichte gedanklich schon fest oder schreibst du einfach drauf los?
LF: Das hängt ein bisschen mit dem zusammen, was ich zu Frage 6 geschrieben habe. Ich schreibe zwar wenn möglich am geplanten Handlungsverlauf entlang – eine Geschichte fängt nun mal am Anfang an und hört am Ende auf – aber wenn es an einer Stelle ‚klemmt’ oder sich etwas andres ‚vordrängelt’, das mir spontan einfällt, ändere ich die Reihenfolge eben und gucke, was sich daraus ergibt; so lösen sich ‚Knoten’ ganz oft quasi ‚rückwirkend’ auf, weil sich etwas ergeben hat, das logischerweise auch das Vorangegangene irgendwie betrifft und einem so über die Stelle hinweghilft, mit der man Schwierigkeiten hatte. Ein Text ist für mich ein ‚lebendiges’ Gebilde, das kann man nicht in starre Abläufe zwängen. Er muss ein Gerüst haben, aber auch den Raum, um zu wachsen und sich zu entfalten.

9. Baust du dir gedanklich eine Karte des Landes in dem deine Geschichte spielt?
LF: Gedanklich?! Die hängt bei mir an der Wand! Selbst gezeichnet und gemalt inklusive jeder Menge Notizen-Schnipsel, die ich daran pinne, damit ich nicht vergesse, wo etwas besonderes ist.

10.Wie baust du deine Charaktere auf? Oder entwickeln sie sich erst beim Schreiben?
LF: Ich denke, was ich in Frage 7 über das Schreiben an sich gesagt habe, trifft auch auf die Figuren selbst zu – sie sind ja diejenigen, um die herum sich die Geschichten spinnen :)
Bei mir ist es wie gesagt so, dass zumindest die Hauptfiguren in meinen Geschichten oft literarisch aufbereitete Charaktere aus phantastischen Rollenspielen sind. Ist beim Rollenspiel aber gerade keine passende Figur dabei, entwerfe ich lieber maßgeschneidert für die Geschichte – wie z.B. Theófanú aus NIRGENDLAND, die eine ‚rein literarische’ Figur darstellt. Manchmal ‚klaue’ ich aber auch etwas bei meinen Mitspielern zusammen – sowohl für Emedeyia als auch für die Figur Lorínth, Lîskiths Partner, habe ich mich ein bisschen im Figurenrepertoire von meiner Freundin Melanie bedient :)

11. Hast du ein Bild vor Augen wie deine Charaktere aussehen?
LF: Aber sicher – im wahrsten Sinne des Wortes! Ich arbeite ja auch künstlerisch – besonders im Bereich Malerei. Das Malen und das Schreiben sind bei mir ganz eng miteinander verbunden – und so 'bevölkern' meine Figuren nicht nur meine Texte, sondern auch meine Bilder! Oft beziehen sich Textstellen auf Bilder und umgekehrt. In Frage 17 habe ich noch ein bisschen mehr dazu geschrieben!

12. Baust du während des Schreibens eine Bindung zu deinen Charakteren auf, so dass du dir wenn du fertig bist immer denkst: „Wie könnte es weitergehen?“
LF: Aber ja! Die Figuren liegen mir, wie ich in Frage 10 und 19 geschrieben habe, oft vorher schon sehr am Herzen. Beim Schreiben wird diese Verbindung dann noch ein wenig enger, weil ich mich noch einmal auf ganz anderer Ebene mit den Figuren beschäftige und ihnen dabei gern ihren 'freien Willen' lasse – wenn ich also das Gefühl habe, eine Figur würde in dieser oder jener Situation vielleicht doch nicht so entscheiden, wie ich es für den Handlungsverlauf ursprünglich geplant hatte, versuche ich, das anderweitig überein zu bringen. Ich möchte eine Figur nicht 'verbiegen' – sie soll sich entwickeln, und das auch innerhalb der Geschichte. Aber die Geschichte und die Figur müssen zueinander passen.

13. Ist es schwer einen Verlag zu finden, der die Bücher, die man geschrieben hat veröffentlich?
LF: Kurz und bündig: Ja. Wirklich schwer. Zumindest, wenn man keine Verbindungen hat und ganz 'aus dem Nichts heraus' kommt.

14. Zu mir meine einmal eine andere Autorin, dass sie sich selbst lange Zeit nicht als Autorin bezeichnen konnte. Wie ist das bei dir? Hast du dein erstes Buch in Händen gehalten und gesagt „Ich bin eine Autorin!“?
LF: Mir geht es da genauso wie Deiner Bekannten. Formal gesehen bin ich sicherlich in gewisser Weise eine 'Autorin', ich habe ja bereits mehrere Sachen publiziert, literarisch wie wissenschaftlich. Aber ich verstehe mich selbst nach wie vor als Newcomerin verstehe. Ich bin noch Lichtjahre davon entfernt, arriviert zu sein, und, wenn ich realistisch bin: Es steht in den Sternen, ob ich jemals so weit komme. Deshalb würde ich mich selbst nicht als 'Autorin' an sich bezeichnen, sondern eher als 'Autorin von' diesem oder jenem Text.

15. Wie war das Gefühl das erste eigene Buch gedruckt in Händen zu halten?
LF: Ganz kurz: Es war vollkommen unwirklich. Phantastisch. Auch heute noch kann ich es im Grunde selbst kaum glauben.

16. Hand aufs Herz: Kann man vom Schreiben leben, 
wenn man nicht Stephen King heißt?
LF: Mit Sicherheit nicht von Anfang an. Als Künstlerin ist man genauso von finanziellen Mitteln abhängig wie jeder andre Mensch, und auch in besonderem Maße von Faktoren, die man nur mittelbar beeinflussen kann – vor allen Dingen der Gunst des geneigten Publikums, und die muss man als Nachwuchs-Autor erst einmal gewinnen! Wenn einem das gelingt...dann hat man zumindest eine Chance.
Deshalb schreibe ich leider bisher nur nebenberuflich, aber wenn ich könnte, würde ich den ganzen Tag nichts andres machen, und ich könnte mir auch nicht vorstellen, ohne meine Malerei zu leben – Finanzen hin oder her! Sagen wir also: Das Schreiben ist meine Hauptnebenbeschäftigung. Für das Entstehen von NIRGENDLAND spielte das Geld deshalb überhaupt keine Rolle – und ich glaube, ich möchte auch nicht in die Situation kommen, mir ein Schreibprojekt nach der Bezahlung aussuchen zu müssen und nicht danach, ob es mir etwas bedeutet.

17. Entscheidest du bei den Covern deiner Bücher mit? Sind es deine Ideen?
LF: Zunächst einmal: Es ist eigentlich so, dass der Verlag die Gestaltung des Covers bestimmt – alles, was an einem Buch 'außen' ist, ist Teil des Marketing-Konzepts und liegt somit im Ermessen des Verlags, genauso wie Klappentext und Titel. Ein Autor darf aber natürlich Vorschläge machen. Im Fall von NIRGENDLAND – und dem FABYLON-VERLAG natürlich – hatte ich einfach großes Glück, dass der Verlegerin meine Bilder gefallen haben. So ist die Idee entstanden, künstlerische Arbeiten von mir einzubinden, und war gleich Bestandteil des ganzen Entstehungsprozesses und Konzeptes von NIRGENDLAND. Und, wie immer, war auch der Zufall mit im Spiel: Das Titelbild hat den Titel Dem Irrlicht nach bis zu den Spiegelgärten und ist ziemlich genau zu der Zeit entstanden, in der ich auch die entsprechende Stelle in NIRGENDLAND geschrieben habe. Bei mir ist es so, dass meine Bilder oft in einer engen Verbindung mit meinen Texten stehen. Schreiben ist für mich wie Bilder malen, nur mit Worten – und Malen ist wie Geschichten schreiben, nur mit Farben. So vervollständigen sich bei mir das Malen und das Schreiben gegenseitig. Wenn ich also gerade eine Textstelle schreibe, die sehr intensiv ist, male ich oft auch gleichzeitig ein Bild, das sich mit dieser Thematik beschäftigt. Beides sind eigenständige Werke – aber sie haben eine enge Beziehung zueinander. In NIRGENDLAND ist die Begegnung mit dem Spiegelprinzen ja eine Schlüsselszene – Jeónathar erfährt hier endlich den Namen seines Vaters, und der Spiegelprinz gibt ihm Rat, auf welchem Weg er weiterreisen soll, um ihn zu finden. So habe ich das Bild natürlich auch nicht zufällig für das Cover vorgeschlagen. Dass die Wahl des Verlages darauf gefallen ist und ich überhaupt die Möglichkeit bekommen habe, das Buch auch äußerlich zu gestalten, ist natürlich überhaupt einfach fabelhaft!

Über „Nirgendland“

 


18. Wie bist du auf die Namen gekommen?
LF: Dazu hatte ich mich ja bereits in der Leserunde auf LOVELYBOOKS geäußert. Zuerst mal knoble ich WIRKLICH lange an Namen herum. Das ist eine echte Manie von mir –  manchmal verändere ich sie noch nachträglich, da freut sich das Lektorat natürlich sehr...
Und ja, sie habe oft, fast immer, eine Bedeutung. z.B. habe ich mir bei den Namen der Arkhalaéyi-Figuren Vogellaute als Vorbild genommen, weil sie als Volks Vögeln nachempfunden sind – also 'zirpede' oder 'trillernde' Namen mit Silben wir 'rur' oder 'ki' oder so etwas in der Art. Und dann habe ich einfach 'wild herumgewürfelt'!
Bei den Namen der Elden-Figuren hab ich mich an althochdeutschen Namen orientiert. In dem Namen des Volkes selbst steckt das altenglische 'eld' für 'alt'.
Ganz besonders 'kitzlig' wird es dann bei den Namen für die Protagonisten – da bin ich wirklich wählerisch und benutze manchmal eine ganze Weile lang 'Platzhalter', die ich später ersetze. Für Jeós Namen habe ich einfach ein bisschen an 'Jonathan' herumgebastelt, weil das der Name eines Rollenspiel-Charakters ist, der für Jeó Pate stand.
Oft schaue ich mir die 'irdischen' Kulturen oder Landstriche an, die ich mir beim Schreiben als Vorbild nehme, google Namen oder online-Übersetzer in die jeweilige Landessprache und schraube dann drauflos. Es ist mir wichtig, dass der Name beim klang den Charakter hat, den ich für seinen Träger brauche – rau, melodisch etc. und manchmal bedeuten diese Namen auch inhaltlich 'richtig' etwas!
Bei der Figur Ewanzihars, Rhaszárs Diener im Mitternachtstheater, da habe ich mir einen Afrikaans-Übersetzer vorgenommen. Wörtlich heißt sein Ewanzihar: "Geheimnisse sind nicht verkäuflich." Das passte einfach perfekt zu ihm! Natürlich muss man auch ein bisschen Glück haben, auf solche 'Zufallstreffer' zu stoßen.
So komme ich also zu den Namen. Wenn ich mich für einen entschieden habe, dann würze ich ihn noch mit Apostrophen und Akzenten, damit es auch optisch besonders ausschaut.

19.Wer ist dein Lieblingscharakter?
LF: Weil ich einige der Hauptfiguren aus phantastischen Rollenspielen 'mitgebracht' und zum Teil auch selbst aktiv gespielt habe, hat jede der Figuren Aspekte, die ich ganz phantastisch finde. Ich habe lange, intensive Stunden mit ihnen verbracht und sie sehr sehr gut kennen gelernt. Bei NIRGENDLAND trifft dies gleich auf mehrere der Akteure zu, nämlich Jeónathar, Lîskith, Belphyr und Felerion. Während ich mit Felerion inzwischen ‚fertig’ bin – er ist übrigens mein allererster Rollenspielcharakter überhaupt – und ich auch Jeós RPG-Alter Ego nur noch selten spiele, sind Lîskith und Belphyr aktuelle Figuren. Lîskith stellt im Augenblick meinen Haupt-Charakter dar – Belphyr war früher ‚nur’ Nicht-Spieler-Charakter, ist aber inzwischen zum Spieler-Charakter geworden, weil er als Figur für mich so gut funktioniert hat. Da konnte er allerdings noch sehen...
Jeó und Lîskith sind für mich nun in ihrer Vater-Sohn-Verbindung so spannend, dass sie mir schon sehr nahe stehen – auch, wenn Jeó inzwischen vor allem als Romanfigur ‚aktiv’ ist. Das sagt schon einiges über meine Beziehung zu den Figuren aus – nur die, die ich für die gelungensten halte, schaffen es ‚auf’s Papier’! Aber einen absoluten Lieblings-Charakter habe ich eigentlich nicht. Ist vielleicht auch stimmungsabhängig und davon, in was für einer Geschichte er oder sie gerade steckt – mal bevorzuge ich den einen, mal den andren.

20. Welche ist deine Lieblingsszene in „Nirgendland“?
LF: Oh, das ist eine schwierige Frage....ich habe viele Szenen, die mir gut gefallen. So Jeós erste Begegnung mit dem Spiegelprinzen. Oder die Aussprache mit seinem Vater nach seiner Rückkehr. Aber auch seine Begegnung mit der Geheimen Prinzessin gefällt mir sehr gut...genauer kann ich es nicht sagen!

21. Stand der Titel des Buches für dich schon fest oder hat er sich noch geändert? Wenn ja wie sollte das Buch ursprünglich heißen?
LF: Der Titel stand von Anfang an fest. Sobald ich wusste, wie dieser mythische Ort heißt, zu dem Jeó reisen wird, war auch der Titel gefunden. Ich hatte eine Weile überlegt, Neverlôr zu verwenden, also den Namen dieses Ortes, den die Arkhalaéyi verwenden – aber dann habe ich mich doch für NIRGENDLAND entschieden.

22. Könntest du dir vorstellen selber in so einer Welt zu leben?
LF: Es wäre sicherlich eine ziemliche Herausforderung...aber das ist das Leben in unserer Version der Realität auch. Es wären nur eben andere Herausforderungen. Ich persönlich könnte es mir natürlich vorstellen, und zwar sehr gut! Wie könnte ich sonst darüber schreiben?! Wenn ich einen Tag als eine meiner Figuren in dieser Welt leben könnte, dann würde ich es gern 'in der Haut' von Lîskith tun, glaube ich – weil er jemand ist, der zaubern kann, also die Realität wirklich nach seinem Willen verändern. Er ist enorm intelligent und weiß unglaublich viel, und er beschäftigt sich mit dem kosmischen Gefüge der Welt, in der er lebt. Als 'Schwarzmagier' hindern ihn auch keine 'Denkverbote' daran, seinen Verstand nach seinem Gutdünken einzusetzen. Das fände ich super – wirklich verstehen können, wie die Kräfte wirken, die unser Leben beeinflussen, selbst, wenn man sie trotzdem nicht verändern kann. Wahnsinn!

23. Nun zu meiner Herzblut frage: Hast du kurz darüber nachgedacht Liskith und Lil-Lae wieder zusammenkommen zu lassen?
LF: Leider muss ich diese Frage ganz ehrlich mit „Nein“ beantworten, auch, wenn es mir für die beiden Figuren wirklich Leid tut und das ein Szenario ist, das mir für die beiden gut gefallen hätte – Líl ist eine fabelhafte Frau, stark und unabhängig und sehr ehrlich. Ich hätte mir für Jeó keine bessere Mutter vorstellen können. Sie hat es sicher nicht leicht gehabt, ein Außenseiter-Kind aufzuziehen, von einem Mann, der bei ihren Leuten bestenfalls toleriert ist. Und Lîskith hätte mit ihr 'sesshaft' werden und bei einer kleinen Familie vielleicht den Frieden finden können, den er gesucht hat.
Trotzdem trifft er die Entscheidung zu gehen – zu einem guten Teil natürlich, um seinen Sohn vor seinem dunklen Erbe zu beschützen, aber auch, weil das Leben bei den Arkhalaéyi letztlich nicht das ist, was er sich im tiefsten Herzen wünscht: Da gibt es immer noch Lorínth, da gibt es seinen Vater, mit dem er sich nicht aussöhnen konnte, und beides lässt ihm einfach keine Ruhe, bis er schließlich wieder aufbricht. Zu Lîskiths Verteidigung muss ich sagen, dass er Líl wirklich geliebt hat, und dass sie sicherlich immer einen besondren Platz bei ihm haben wird, der nur ihr gehört. Aber seine große Liebe ist Lorínth. Und da NIRGENDLAND im Zusammenhang mit vielen anderen Geschichten steht, die davon abzweigen oder sich darin einbetten, und die zum Teil bereits geschrieben sind, gab es nur die Option, dass Lîskith geht und zu Lorínth zurückfindet – auch, wenn man dabei noch lange nicht von einem „Ende wie im Märchen“ reden kann, denn das ist es nicht. Als er Lorínth wieder begegnet, muss er sich seiner Vergangenheit stellen, all den Fehlern, die er gemacht hat – und seine Dämonen besiegen. Die Logik der Geschichte, der Rahmenhandlung und der Figuren ermöglicht eine dauerhafte Liebes-Verbindung von Lîskith und Líl einfach leider nicht.
Im ersten Moment ist das sicherlich auch schade – aber für wen die Herzensangelegenheiten der Protagonisten ein besonderer Teil der Handlung sind, wird bei Lîskith und Lorínth auf seine Kosten kommen. Weil Lorínth ein wesentlicher Protagonist der übergreifenden Handlung ist, in der NIRGENDLAND steht, spielt er auch weiterhin eine große Rolle. Und seine und Lîskiths Geschichte ist noch wesentlich umfangreicher und komplexer als die von Lîskith und Líl-Laë und wir in allen ihren Höhen und Tiefen erzählt!
Aber vielleicht ist es zudem noch ein weiterer kleiner Trost, wenn ich an dieser Stelle schon einmal verrate, dass Líl im nächsten Teil der Erzählung einen wichtigen Auftritt haben wird. Sie und Lîskith werden sich noch einmal begegnen, und es wird eine bewegende Aussprache geben, in der vieles geklärt wird, was bisher unausgesprochen und vage war. Sie ist Jeós Mutter und wird als solche auch weiterhin wichtig sein, nicht zuletzt für ihn selbst.

24. Was möchtest du den Lesern von „Nirgendland“ 
vor und nach dem Lesen sagen?
LF: Vor dem Lesen: Juras Lurth, die Welt von NIRGENDLAND, liegt im Sterben. In jedem siebten Zeitalter erneuert sich die kosmische Ordnung in einem gewaltsamen Sturm, der das Sein in seinen Grundfesten erschüttert, und sucht den Ausgleich zwischen den Kräften von Licht und Dunkel. Dieses Mal aber gab es eine Störung, und die Welt ist sozusagen zwischen den Zeitaltern ‚hängengeblieben’ – sie kann nicht voranschreiten und ist deshalb den ungezügelten Kräften des Zerfalls und der Zerstörung ausgeliefert. Im Roman heißt diese seltsame Zwischen-Zeit das Zwielicht. Nur die Eingeweihten wissen natürlich, was wirklich passiert. Was nach dem Weltenbrand von Juras Lurth übriggeblieben ist, ist düster und oft brutal; überall sind Anzeichen der Zerstörung zu erkennen: ausgebrannte Städte, verödete Gewässer, unerklärliche Vorkommnisse – Überbleibsel sozusagen. Und natürlich wirkt sich das auch auf die Bewohner dieser Welt aus – wenn die kosmische Ordnung zusammenbricht, zerfällt auch die irdische langsam in ihre Einzelteile. Und was dahinter zum Vorschein kommt, ist oft sehr hässlich. Das ist die Welt, durch die der Leser den Helden Jeónathar auf seinem Weg begleitet: Er zieht aus, um seinen Zweiten Namen zu suchen; sehr bald erkennt er, dass er dazu zunächst seinen Vater finden muss, der vor Jahren von Jeós Volk verbannt wurde. Also macht er sich auf – und stellt fest, dass sein Weg mitten hinein in’s Zwielicht führt. Offenbar hat sein Vater irgend etwas damit zu tun. Und dann wird Jeónathar klar, dass er sich dem stellen muss, um seinen Namen zu finden. Es geht also um eine Suche nach sich selbst, aber auch um eine Beziehung von Vater und Sohn, die schwierig ist, weil sich Vergangenheit und Gegenwart in ihr begegnen – und verbinden. Und es geht um das Spiel der Sterne, das die widerstreitenden Kräfte von Licht und Dunkel symbolisiert – und das reale Personen spielen können, wenn sie die Macht dazu besitzen. Sofern sie bereit sind, den Preis dafür zu bezahlen...
Nach dem Lesen: Hm – ‚den Lesern sagen’ finde ich immer so eine Sache. Natürlich erzählt man eine ganz bestimmte Geschichte. Aber was der Leser daraus für sich mitnimmt, möchte ich ihm selbst überlassen. Mir persönlich geht es in meinen Geschichten darum, die inneren Welten der Figuren auszuloten – die Höhen, aber genauso auch die Abgründe. Vielleicht vor allem diese: Die düsteren Töne finde ich besonders faszinierend, weswegen meine Helden oft sehr zwiespältige Charaktere sind. Darin spiegelt sich ein bisschen meine ‚Philosophie’: Schwarz und Weiß sind absolut, deshalb können sie in ‚Reinform’ nur als metaphysische Prinzipien in Erscheinung treten – vielleicht in Gestalt von Gottheiten o.ä., wenn überhaupt. Aber alles, was unterhalb dieser ‚Ebene’ ist, findet sich in irgendeinem der unendlich vielen Grautöne wieder, die dazwischen liegen. Und das heißt: Es enthält etwas von Weiß und etwas von Schwarz. Das macht es komplex, greifbar und interessant. Im Phantastischen kann man das besonders anschaulich machen, weil einem die bildliche Sprache zur Verfügung steht. Wer zum Beispiel schon meinen ENGELSEHER gelesen hat, weiß ja, dass ich davon starken Gebrauch mache, auf der sprachlichen Ebene, aber auch inhaltlich. Deshalb ist auch in der Welt von NIRGENDLAND alles immer eine Frage des Blickwinkels – nichts ist einfach nur gut oder einfach nur schlecht. Für alles gibt es ein Grund. Alles steht irgendwie im Zusammenhang mit dem Ganzen. Das zu vermitteln ist etwas, woran mir beim Schreiben gelegen ist – gerade, weil der Fantasy so oft der Vorwurf gemacht wird, dass sie nur Schwarz und Weiß malt und sich mit schlichten Erzählstrukturen begnügt, der es vor allem um ‚Knall-Effekte’ geht. Frechheit!
Und so wird auch Jeónathar auf seiner Reise lernen, dass die Welt nicht nur aus zwei Farben besteht, und dass man sie manchmal nicht so gut voneinander unterscheiden kann – aber bis dahin hat er eben einen weiten Weg vor sich, der ihm alles abverlangt.

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